NACHHALTIG | Mit Mut, Engagement und Weitsicht
Im Westen der Stadt Basel entsteht derzeit ein neues Quartier – das Westfeld. Es soll ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig und so zukunftsweisend sein.
Nachhaltigkeit wird auf dem Westfeld in Basel grossgeschrieben. Unter dem Lead der jungen Wohn- und Baugenossenschaft wohnen&mehr entsteht im Westen der Stadt Basel ein neues Quartier mit rund 530 Wohnungen, Büros, Gewerbe, Freizeit- und Betreuungsangeboten. Es geht um ressourcenschonendes und klimafreundliches Bauen und Wohnen, um sorgfältige Finanzplanung und solidarische Lösungen statt hoher Rendite.
«Das Projekt zeigt, wie ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte einer Nachhaltigkeit konsequent zusammen gedacht werden können.»
Das Projekt will zu einem generationenverbindenden Zusammenleben und zu bezahlbarem Wohnraum für alle beitragen. Dank einer packenden Vision, umsichtiger Planung und einem pragmatischen Vorgehen ist es der Genossenschaft gelungen, Entscheidungsträger und Geldgeber zu überzeugen, Nutzungspartner zu gewinnen und viele Menschen für eine Mitwirkung zu begeistern. Das Projekt zeigt, wie ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte einer Nachhaltigkeit konsequent zusammen gedacht werden können.
Der Vermietungsprozess beginnt im Frühling dieses Jahres; die ersten Wohnungen werden per Ende 2022 bezugsbereit sein. Im Folgejahr werden alle Neubauten fertiggestellt sein. In einer zweite Bauetappe von 2024 bis 2026 werden zusätzlich rund 80 Wohnungen und Gewerberäume entstehen. Dann ist die Überbauung komplett.
Ehemals ein Spitalgelände
Bis 2019 wurde das gut 35 000 Quadratmeter grosse Gelände noch vom Felix-Platter-Spital genutzt. Das alte Spitalgebäude ist bereits zum künftigen «Miteinanderhaus» umgebaut worden. Im Erdgeschoss werden eine Kita, ein Doppelkindergarten, das Bio-Bistro des Bürgerspitals Basel (BSB), ein Quartiertreffpunkt sowie eine Denner-Filiale und Atelierläden einziehen. Die oberen Geschosse bieten Wohnraum für eine hinsichtlich Alter, Familiensituation und Einkommen heterogene Bewohnerschaft. Hier wird das BSB 17 Studios für Wohnen im Alter mit Services betreiben.
Unter den geplanten Neubauten im Areal sticht das LeNa-Haus hervor, in dem mit rund 80 Wohnungen und zusätzlichen, gemeinschaftlich zu nutzenden Flächen eine lebendige und umweltbewusste Nachbarschaft verwirklicht werden will. Die Bau- und Wohngenossenschaft Lebenswerte Nachbarschaft LeNa schafft Wohnraum für 160 bis 200 Bewohnende und realisiert gemeinsam genutzte Flächen. Es steht für ökologische Zielsetzungen und die Freude an einem lebendigen, nachbarschaftlichen Zusammenleben.
«Zusammen zu wohnen heisst auch, mitverantwortlich zu sein und anfallende Aufgaben je nach Bedarf und eigenen Fähigkeiten zu übernehmen.»
Mit einer reduzierten Wohnfläche von durchschnittlich 32 Quadratmeter pro Person und der Kombination von individuellen und gemeinschaftlich genutzten Räumen lässt sich der Energieverbrauch deutlich senken.
Ein wichtiges Element bildet zudem die Partnerschaft mit lokalen, nachhaltig produzierenden Landwirtschaftsbetrieben: Sie sichert die direkte Versorgung der Bewohnenden und des im Haus betriebenen, öffentlich zugänglichen Gastrobetriebs Cantilena.
Zusammen zu wohnen heisst auch, mitverantwortlich zu sein und anfallende Aufgaben je nach Bedarf und eigenen Fähigkeiten zu übernehmen. Dies können Arbeiten im Haus oder in der Landwirtschaft ebenso wie soziale Aufgaben sein: Kinderhütedienste, Mittagstische oder Hilfeleistungen für Personen, die auf besondere Unterstützung im Alltag angewiesen sind.
Weitere Gebäude entstehen mit Wohnungen, die auf die Bedürfnisse verschiedener Lebensphasen und -modelle abgestimmt sind, gehe es um Alleinstehende oder Patchwork-Familien. Pro Senectute sowie die Vereinigungen Alzheimer beider Basel werden ihre Büros hier betreiben, während die Universitäre Altersmedizin «Felix Platter» bereits jetzt altersmedizinische Leistungen und Hausarztpraxen vor Ort anbietet.
Von Beginn an standen Prinzipien der Nachhaltigkeit im Zentrum des Projektes. Initiiert von Richard Schlägel (Präsident) und Andreas Courvoisier (Vizepräsident), erfolgte im Jahr 2015 die Gründung der Baugenossenschaft wohnen&mehr. Zur Umsetzung des Bauvorhabens wurde auf ein ausgewogenes Zusammenspiel verschiedener Aspekte von Nachhaltigkeit geachtet.
In den Worten des Co-Geschäftsleiters Claudio Paulin geht es also weniger darum, sozusagen ein «Matterhorn» unter den Zielsetzungen zu erreichen, sondern eine hochgelegene und an Hügeln reiche «Blüemlisalp»: Nicht eine einzelne, alles überragende Zielsetzung, sondern mehrere Zielsetzungen entlang den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen von Nachhaltigkeit sollen erreicht werden.
Ziel 2000-Watt-Gesellschaft
Im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit orientiert sich wohnen&mehr an den Zielvorgaben der 2000-WattGesellschaft und setzt auf erneuerbare Energien. Dies zeigt sich zum Beispiel in der grossen Photovoltaikanlage und dem sogenannten Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) im Areal.
Auch wird Erdwärme zur Wärmeversorgung genutzt, Baumaterialien werden nach Eco-Devis-Empfehlungen ausgesucht und grosszügige Grünflächen angelegt, auch auf den Dächern. Gemäss dem Prinzip der kurzen Wege sind die alltäglichen Dinge gut zu Fuss erreichbar und das Areal gut am öffentlichen Verkehr angeschlossen.
Zugleich soll bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen werden, einschliesslich Personen mit geringem Einkommen und/oder Vermögen. Die Grösse des Areals trägt hier entscheidend zur ökonomischen Effizienz bei: Indem die Materialien und komplexen Planungsprozesse für den Bau und die Ausgestaltung von über 500 Wohnungen gebündelt werden, können Ersparnisse erzielt und die Kosten tiefer gehalten werden als bei einer geringen Anzahl an Wohnungen. Die grösseren Ausgaben für qualitativ hochstehendes Material zahlen sich durch die Dauerhaftigkeit in geringeren Betriebs- und Unterhaltskosten längerfristig aus. Schliesslich profitiert das Projekt vom Interesse der Banken, die mit guten Konditionen entgegenkommen.
In der Tat liegt ein zentraler Erfolgsfaktor in der Überzeugungskraft des «Konzepts Westfeld». Auf allen Ebenen zeigten sich Akteure von Beginn an interessiert. Gerade auch das angestrebte «Miteinander» der Generationen und die Möglichkeit, durch das Projekt neue, innovative Wohn- und Lebensformen zu erproben, stiessen und stossen auf Begeisterung.
«Nicht eine einzelne, sondern mehrere Zielsetzungen entlang den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen von Nachhaltigkeit sollen erreicht werden.
Neben Quartieranlässen bietet das «Netzwerk Westfeld» ein Gefäss zur Mitwirkung. Koordiniert von wohnen&mehr, trefen sich die Stakeholder regelmässig, bringen Wünsche und Ideen ein und entwickeln gemeinsam Lösungen.
Dazu gehören die aktuellen Nutzungspartner ebenso wie Vertreterinnen und Vertreter des umliegenden Quartiers, Behörden und weitere Akteure, die fachliche Inputs liefern. Auch der Branchenverband Curaviva beteiligt sich am Netzwerk Westfeld und sieht wichtige Elemente seiner «Vision Wohnen im Alter» entstehen.
Für die angestrebte soziale Durchmischung auf dem Westfeld – analog dem Bevölkerungsprofl der Stadt Basel – basiert die Wohnungsvergabe auf einem Software-Tool, das einen Mix an Kriterien (Alter, sozioökonomischer Status, Nationalität) ermittelt.
Im Detail unterschiedlich ausgestaltete Wohnungen erlauben zudem, unterschiedliche Mietzinse auf dem Areal zu erheben. Ein Solidaritätsfonds garantiert, dass auch Personen und Familien mit geringem Vermögen Mitglied der Genossenschaft werden können. Das erforderliche Genossenschaftskapital kann durch wohnen&mehr substituiert werden.
Netz an Beziehungen
Die Grundlagen sind gelegt. Es entsteht eine Infrastruktur, die den vielfältigen Bedürfnissen und Ressourcen seiner diversen Bewohnerschaft Sorge trägt. Bauliche Massnahmen im Innen- und Aussenraum bezwecken, Orte der Begegnung und der spontanen Kontakte im Alltag zu schaffen. Der partizipative Ansatz in Projektplanung und -umsetzung schuf Vertrauen und etablierte ein Netz an Beziehungen unter den Beteiligten und über das Areal hinaus.
Auch ein bestehender Quartierverein wurde gestärkt und spielt heute eine aktive Rolle in den Entwicklungen auf dem Areal. Weiter wird ein Gemeinschaftsfonds geäufnet, der kulturelle und gemeinschaftliche Aktivitäten und Infrastruktur auf dem Areal fördert.
Was genau daraus hervorgehen wird, ist noch ofen. Der Projektleitung geht es darum, Impulse zu setzen; es liegt in den Händen der Nutzerinnen und Nutzer, die eigentlichen Initiativen zu generieren und umzusetzen. Das heisst «teilhaben», und darin liegt Nachhaltigkeit.
Visualisierung: Nightnurse images, Zürich