POLITISCHE FEDER | Behindertenpolitik: Weichen in Richtung Inklusion stellen

Intensive Debatten zur Gestaltung der zukünftigen Behindertenpolitik stehen an. Ende des letzten Jahres hat der Bundesrat die Botschaft zum Behindertengleichstellungsgesetz präsentiert. Gleichzeitig skizzierte er Eckpunkte eines indirekten Gegenvorschlags zur Inklusionsinitiative, den er Ende Mai in die Vernehmlassung geben will. Der Ständerat hat in der laufenden Session dem Bundesrat den Auftrag zur Modernisierung des IFEG erteilt. Bei so vielen Geschäften droht schnell der Überblick verloren zu gehen. Denn bei diesen politischen Vorstössen ist immer auch darauf zu achten, dass sie mit der UN-BRK im Einklang stehen.
Die Dienstleister für Menschen mit Behinderungen haben sich bereits 2019 auf einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK in ihrem Einflussbereich geeinigt. Die Branche befindet sich in einem Transformationsprozess, von der Angebotsorientierung hin zu einer partizipativen, bedürfnisorientierten Begleitung mit dem Ziel der vollen und wirksamen Teilhabe an der Gesellschaft und der selbstbestimmten Lebensführung.
Es gilt das Momentum der verschiedenen politischen Vorstösse zu nutzen, die Behindertenpolitik in allen Bereichen vorwärtszubringen. Das selbstbestimmte Wohnen steht aktuell im Vordergrund. Das ist gut. Es entspricht einem zentralen Anliegen von Menschen mit Behinderungen und ist noch immer keine Selbstverständlichkeit. Dabei darf aber nicht vergessen gehen, dass für eine selbstbestimmte Lebensführung zwei weitere Bereiche einen entscheidenden Einfluss haben: Arbeit und Ausbildung.
«Wollen wir den Schritt in Richtung inklusiver Gesellschaft wagen, dürfen Ausbildung und Arbeit nicht hintangestellt werden.» Rahel Stuker
Doch gerade bei der Förderung der Arbeitsintegration vom ergänzenden in den allgemeinen Arbeitsmarkt hapert es noch immer gewaltig. Die anstehenden politischen Geschäfte blenden diesen Aspekt bislang völlig aus und verweisen darauf, dass Ausbildung und Arbeitswelt nachgelagert angegangen werden sollen. Vertrösten auf die Zukunft als politisches Manöver akzeptieren wir nicht. Wollen wir den Schritt in Richtung inklusiver Gesellschaft tatsächlich wagen, dürfen die Bereiche Ausbildung und Arbeit nicht als sekundäre Ziele hintangestellt werden. Sie müssen jetzt mit einbezogen werden.
Rahel Stuker ist Geschäftsführerin INSOS und Mitglied der Geschäftsleitung von ARTISET.
Foto: esf