KOORDINIERT BETREUEN | Gemeinsam den Alltag gestalten
Eine gute Betreuung im Alter hat viele Facetten. In Münsingen ist das Angebot für das Wohnen im Alter sehr breit. Betreuungsaufgaben nehmen alle Mitarbeitenden wahr, der Austausch mit den Angehörigen und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben geniessen einen hohen Stellenwert. So gelingt es, die Bewohnenden mit all ihren Bedürfnissen abzuholen.
Mitten im Dorf bietet die Stiftung für Betagte Münsingen an drei Standorten vier verschiedene Wohnformen an. Das Angebot reicht von einer Alterssiedlung mit altersgerechten Wohnungen, über Wohnen mit Dienstleitungen bis hin zu Pflegeplätzen und einer Demenzwohngruppe. Neben der Mitsprache der Bewohnenden und der personenzentrierten Haltung ist der Betreuungsgedanke stets präsent im Alltag, zum Teil auch mit unkonventionellen Lösungen.
So unterstützt etwa das Ehepaar, das Abwartstätigkeiten in der Alterssiedlung übernimmt, bei Notfällen der Mieterschaft. Und in der Altersresidenz Bärenmatte bringt der Hausdienst den Menschen der vollumfänglichen Pflege das Frühstück. Es ist ein lebendiges, partizipatives Miteinander; ganz so, wie es die Bewohnenden von früher kennen, als sie noch eigenständig in Münsingen gewohnt haben, diesem Dorf im Aaretal, zwischen dem Berner Oberland, der Stadt Bern und dem Emmental.
Individuelle Betreuung grossgeschrieben
Bei der Stiftung für Betagte hat die adäquate Betreuung immer und überall einen hohen Stellenwert, sowohl im Alterszentrum Schlossgut als auch in der Altersresidenz Bärenmatte und in der Alterssiedlung Sonnhalde. Dieser Grundsatz ist fest verankert in den Köpfen und Herzen aller Mitarbeitenden und breit abgestützt bis hin zur Geschäftsleitung und dem Stiftungsrat.
Es ist allen bewusst, dass die Betreuung viele Facetten hat und jederzeit stattfindet: während der Pflege, bei Aktivitäten, am Empfang, in der Küche und im Service. Das kann bedeuten, dass jemand, der im Hausdienst arbeitet oder die Zimmer reinigt, das Lieblingspflänzchen eines Bewohners kennt und gemeinsam mit ihm dazu Sorge trägt oder sich während des Saubermachens ab und an Zeit nimmt, sich hinzusetzen und einen Kaffee zu trinken, wenn es erforderlich ist. Es kann aber auch heissen, dass eine Pflegeheimbewohnerin in der Wäscherei beim Zusammenlegen mithilft und so fast Teil des Lingerieteams wird und für den grossen Einsatz als Wertschätzung ein Weihnachtsgeschenk erhält.
Man spürt, dass hier die betagten Menschen ernst genommen und Unsicherheiten abgefangen werden. Man begegnet sich, gestaltet gemeinsam den Tag und erhält bei Bedarf Orientierung – zum Beispiel am Empfang, wenn jemand die Post holen will, die er oder sie schon aufs Zimmer gebracht hat oder den Tag verwechselt und so das Programm durcheinanderbringt. Zusätzlich gibt es Mitarbeitende, die fix für die Betreuung zuständig sind.
Pflege und Betreuung sind gleichwertig
Seit 2019 arbeiten bei der Stiftung neben Pflegenden auch Mitarbeitende mit sozialberuflichem Hintergrund mit. Der Name des Organisationsbereichs «Betreuung und Pflege» macht deutlich, warum dies notwendig ist. Und auch in der Bereichsleitung sind beide Berufsfelder vertreten. Das Team Soziales, dem mittlerweile sechs Personen angehören, ist unter anderem zuständig für die Gruppenangebote der Alltagsgestaltung und Anlässe an den Standorten, aber nicht nur. Sie sind auch – verteilt auf allen Stationen – im Eins-zu-eins-Austausch mit den Bewohnenden tätig und ermöglichen besondere Momente, wie etwa kürzlich das Grillieren von einem «Güggeli» auf dem Balkon eines Bewohnenden.
Hand in Hand arbeitet das Team Soziales mit den Pflegemitarbeitenden zusammen, beispielsweise indem es Menschen mit Unterstützungsbedarf bei den Mahlzeiten begleitet und zwar so, wie diese es benötigen, was je nach Tagesform mal mehr und mal weniger ist. Die Win-win-Situation: Bei der Pflege gibt es weniger Hektik und die Mitarbeitenden der Alltagsgestaltung können die Zeit ohne Gruppenaktivitäten sinnvoll nutzen. Umgekehrt ermöglicht man es auch Pflegehelferinnen und Fachangestellten Gesundheit, Betreuungsaufgaben wahrzunehmen und Gruppenaktivitäten durchzuführen, indem man sie bewusst für einen Nachmittag von ihren gewohnten Aufgaben entbindet. So haben beispielsweise vor einiger Zeit Mitarbeitende aus dem Pflegeteam einen Fussparcours für Bewohnende angeboten und so einen schönen Nachmittag gestaltet. Solche Freiräume gibt es auch im Einzelsetting, etwa für einen Spaziergang.
Man merkt es Simon Eugster, dem Leiter Soziales und Teil-Bereichsleiter Betreuung und Pflege, im Gespräch an, wie wichtig ihm dieser individuelle Kontakt mit den Bewohnenden ist, auch wenn er nun nicht mehr immer an der Front, sondern viel im Hintergrund tätig ist. «Er ist ein ganz Lieber, aber manchmal ist er auch streng mit uns», erklärt beim anschliessenden Rundgang eine Bewohnerin mit einem Augenzwinkern. «Heute hat er mir sogar Hausaufgaben aufgetragen.» Dies zeigt, dass die Mitarbeitenden Betreuung nicht mit Unterhaltung gleichsetzen, sie bieten vielmehr eine adäquate Begleitung und Möglichkeiten, sich echt zu begegnen.
«Es geht um die Wahrnehmung jeder und jedes Einzelnen als biopsychosoziales Wesen. Wir wollen, dass die Menschen für alle Themen, die sie mitbringen, eine Ansprechperson und Gehör finden, also für die pflegerischen, aber auch für finanzielle und rechtliche Fragen oder Themen aufgrund ihrer Biografie», erklärt Simon Eugster, der ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung der Stiftung ist. Dies fange bereits an, bevor die Menschen einzögen, und schliesse die Angehörigen mit ein.
Ein gutes Einleben ist das A und O
In Münsingen haben die Phase des Eintritts in das Alters- und Pflegeheim und der Kontakt mit den Angehörigen einen hohen Stellenwert. So findet vier Mal im Jahr ein Besuchsnachmittag für Interessierte statt. Ältere Menschen und ihre Angehörigen haben so die Möglichkeit, Fragen zu stellen und den möglichen neuen Alltag kennenzulernen. Andererseits lernen so auch die Verantwortlichen der Stiftung für Betagte die potenziell neuen Bewohnenden und deren Biografie kennen.
Nach dem Umzug sind die Angehörigen ab Tag eins willkommen – auch bei kulturellen Anlässen und an Feiertagen –, ganz so, wie sie es vorher auch gehandhabt haben. Ihre Auskünfte werden dokumentiert und sind wertvoll, um die Geschichte und die Bedürfnisse des neuen Bewohnenden kennenzulernen. Zudem sind sie eingeladen zu einem offerierten Eintrittsessen mit der Bewohnerin oder dem Bewohner im hauseigenen Restaurant, wo sie dann auch später jederzeit gemeinsam eine Mahlzeit geniessen können.
Bereits in den ersten Tagen geht jemand aus dem Team Soziales bei dem Neueintretenden vorbei und fragt, ob irgendwo der Schuh drückt. Da sein Team in ziviler Kleidung arbeite, falle es vielen Leuten leichter, sich zu öffnen, erklärt Simon Eugster. Teilweise gehe es nur um Kleinigkeiten, die schon einen Unterschied machen würden, wie beispielsweise eine kleinere Essensportion; manchmal seien es komplexere Dinge, die es aufzufangen gelte. Er erhalte immer wieder die Rückmeldung, dass das Einleben dank dieser engen Begleitung zu Beginn erleichtert werde. Es lohne sich also, neben der Pflege in das Wohlfühlen mit der neuen Situation zu investieren. Dazu gehöre auch, die sozialen Kontakte mit der Bevölkerung weiterhin aufrechtzuerhalten.
Die gesellschaftliche Teilhabe gelinge unter anderem mit Freiwilligen aus dem Dorf, die ebenfalls Betreuungsaufgaben übernehmen und den einzelnen Bewohnenden damit einen zusätzlichen Mehrwert ermöglichen – entweder mit Aktivitäten innerhalb des Heims oder auch ausserhalb.
Das Dorf ins Heim holen
Nicht immer sei es jedoch möglich, dass die Bewohnenden nach dem Eintritt an allen von ihnen gewünschten kulturellen Anlässen im Dorf teilhaben könnten. Deshalb hat man sich entschieden, selbst Aktivitäten durchzuführen, damit die Dorfbewohnenden ins Heim kommen. Ein solches Beispiel ist das für alle frei zugängliche «Dorfkafi» immer am letzten Freitag im Monat, das zusammen mit dem Frauenverein Münsingen angeboten wird. Dessen Mitglieder spenden für den Anlass Kuchen und Gebäck, und das Alters- und Pflegeheim stellt den Raum und den Kaffee zur Verfügung. Nebst dem gemütlichen Beisammensein gibt es jeweils einen Gast, der eine Viertelstunde von seinem Beruf oder seinem Verein erzählt. Die eine Hälfte des Publikums besteht aus Bewohnenden, die andere Hälfte aus Pensionierten des Dorfes. Mit 40 bis 45 Zuhörenden, einige davon Stammgäste, ist der Anlass jeweils gut besucht, und es entstehen jedes Mal spannende Gespräche.
Dank der Zentrumsnähe des Standorts Schlossgut direkt neben dem Schlosspark ist zudem die Präsenz am Herbstmarkt ein weiteres Highlight im Jahresprogramm. Mit einem eignen Stand werden Produkte verkauft, welche die Bewohnenden selbst gestrickt haben. Dies im Rahmen der diversen Gruppenangebote mit freiwilliger Teilnahme.
Nicole Fivaz (Senesuisse)