Glaubwürdiger Händler spezieller Hilfsmittel

12.02.2025 Christian Bernhart

Der Unternehmer Fabian Neubauer handelt mit Kuscheltieren und diversen Hilfsmitteln. Er will Menschen mit Behinderung oder auch Menschen im Alter Momente der Geborgenheit vermitteln oder ihnen dabei helfen, im Alltag zurechtzukommen. Aufgrund der Cerebralparese seit Geburt in der Bewegung beeinträchtigt, hat er allen Hindernissen zum Trotz ein Studium absolviert und danach den Weg in die Selbstständigkeit gewählt. 

Es war in seiner frühen Kindheit vor 40 Jahren, als Fabian Neubauer noch kein Aussenseiter war, obschon er schon damals anders war. Dies, weil er sich langsamer, unkoordinierter bewegte und weil er das, was er meinte, nur unklar ausdrücken konnte. Daran störte sich aber niemand damals in Egg, er war gerade mal vier Jahre alt. «Wir wohnten am Waldrand, wo mein Bruder und ich mit den Nachbarskindern spielten, schlittelten und auch Bäche stauten.» Fabian Neubauer war in Spiel und Alltag integriert.  

In seiner Dachwohnung in Zürich erinnert er sich an diese unbeschwerte Zeit und rollt das schwierige Leben danach im Zeitraffer auf, bis zur heutigen Zeit, die sich ihm nun so präsentiert: «Ich habe einen Freundeskreis, eine Familie, auf die ich mich verlassen kann; ich bin unabhängig, kann auf Reisen gehen. Und ich habe meine eigene Firma.»  

Kuscheltiere für Geborgenheit 

Mit seiner Firma, die auf Kuscheltiere für demente und kognitiv eingeschränkte Personen sowie auf Alltagshilfsmittel für bewegungsbehinderte Menschen spezialisiert ist, stiftet er Geborgenheit und Unterstützung in rund 60 Institutionen der deutschen Schweiz. Er fördert damit Lebensqualität, auf die er während Jahrzehnten nur eingeschränkt zählen konnte.  

Eingeschränkt nicht so sehr wegen seiner reduzierten Beweglichkeit: Geschickt und routiniert bedient er beispielsweise die Espresso-Maschine, um den Kaffee zum Gespräch zu servieren. Nicht wegen seines rechten Beins, das er beim Gehen hinkend nachzieht, oder des rechten Arms und der rechten Hand, die er nicht kraftvoll einsetzen kann. Wie er beim Kaffee seine Erfahrungen während der Schul- und Jugendzeit ohne anklägerischen Ton ausführt, habe sich seine Lebensqualität stets in dem Mass vermindert, wie sich die Menschen im erweiterten schulischen Umfeld von ihm abgrenzten, ihm aus dem Weg gingen und sich über ihn lustig machten.  

Spiessrutenlauf in der Sek 

In der Sekundarschule artete es zum Spiessrutenlauf aus: Mobbing in der ersten Sekundarschule, weshalb er fürs zweite Jahr nach Zürich an die Katholische Schule wechselte. Hier sei es noch katastrophaler gewesen, sodass er für die dritte Sek nach Wetzikon ins Zürcher Oberland zurückkehrte. Doch die Lehrpersonen vermochten die Akzeptanz bei den Mitschülern nicht zu erhöhen, worauf sich ein Lehrer für den Wechsel ans Gymi an der Minerva-Tagesschule in Zürich einsetzte. Dort könne man besser auf seine Situation eingehen. Er machte eine andere Erfahrung: «Hier wurde ich zu Beginn stark gemobbt und erhielt den Übernamen Fongo, von Mongo Fongo, dem eintönigen Hip-Hop-Song von Micromull. So sehr, dass ich mittags alleine essen ging.» 

War in der Sekundarschule ein Wechsel möglich, so musste er nun die Gymnasiumzeit mit Latein und dem Abschluss der eidgenössischen Matura ohne Erfahrungsnoten durchstehen. Starker Wille, aber auch die uneingeschränkte Unterstützung der Eltern, die ihm und seinem Bruder in den Ferien erlebnisreiche Reisen in die Kulturstädte Europas ermöglichten, halfen. Mit seinem Vater besuchte er Kulturmessen in St. Petersburg, London, Frankreich und Italien. An diesen Stätten erlebte er eine andere Welt, während jene in der Schweiz für ihn vor allem aus Hindernissen und gesellschaftlichen Barrieren bestand.  

In der Schweiz träumen von London 

Rat und Unterstützung fand er auch bei der bekannten Zürcher Heilpädagogin und Berufsberaterin Verena Flubacher, die ihm ein Studium in London empfahl, wo er schliesslich an der Kingston-Universität internationale Beziehungen studierte und am University College of London die Masterarbeit über den Einfluss Chinas in Afrikas Subsahara bei der Ausbeutung der Bodenschätze in Sambia schrieb. Spricht Neubauer über seine Zeit in London mit intensiven Kontakten zu Mitstudierenden verschiedenster Länder, so hellt sich sein Gesicht auf: «Ich muss sagen, die Unterstützung, die ich in London erhielt, davon kann ich in der Schweiz nur träumen.» Dass er in London, wo er erstmals allein lebte, so viel Sympathie erfuhr, schreibt er dem Erbe des letzten Weltkriegs zu. Damals habe die Bevölkerung gelernt, für ihre Kriegsverwundeten einzustehen. Er erlebte in London eine Toleranz, zu der die unterschiedlichen Menschen aus dem ehemaligen Commonwealth beitragen. 

Derart gut gewappnet, hoffte er, mit 32 den Eintritt in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, zumal er beim Bund verschiedene interne Dienste absolviert hatte, so im Konsulat in Schanghai oder bei der Schweizer Mission für die EU in Brüssel. «Ich habe bei jeder seiner Bewerbungen mitgefiebert», sagt Berufsberaterin Flubacher. Doch auf 80 Bewerbungen folgten 80 Absagen, nur zweimal konnte er sich vorstellen, für eine Doktorandenstelle in Zürich und einen Job in einem Thinktank in London. Absage um Absage. Neubauer lässt seinem Gemüt erstmals etwas freien Lauf, lacht gereizt kurz auf und sagt: «So etwas ist wirklich sehr deprimierend.»  

Wachsender Kundenkreis 

In intensiven Gesprächen mit Berufsberaterin Flubacher, reifte die Idee, sich selbstständig zu machen und einen Vertrieb für Unterstützungshilfen aufzubauen, die in der Schweiz nicht erhältlich sind. Seine positiven Erfahrungen im Ausland erleichterten ihm die Akquirierung an internationalen Messen. Nach Besuchen, wie der Rehacare-Messe in Düsseldorf, der grössten Europas, aber auch von Messen in Japan, folgte der sorgfältige Aufbau der Website seiner Firma Posso.  

Sein Leben als Händler von Alltagshilfen, die er in Institutionen für Menschen mit Behinderung und in Alters- und Pflegeheimen vorstellte, begann. Er wusste dabei nicht, ob er auf diesem Markt bestehen wird. Heute sagt er: «Ich bin positiv überrascht, ich habe immer mehr Kunden, und der Umsatz steigt.» Zu den 60 Institutionen in der deutschen Schweiz sollen dieses Jahr mit dem Website-Auftritt auf Französisch auch Institutionen in der Romandie gewonnen werden. Was ihn auf diesem Gebiet erfolgreich werden liess, ist seine Glaubwürdigkeit als Mensch mit Behinderung und auch, dass Betroffene die Möglichkeit haben, sein Angebot ohne Kaufzwang zuerst eine Woche zu testen. 

Roboterkatze sorgt für Erinnerungen 

Die Alltagshilfen vereinfachen etwa das Binden der Schuhe, das Schälen von Gemüse und Obst sowie das Öffnen von Flaschen. Ein spezieller Wasserkocher erleichtert das Ausgiessen des Wassers. Darüber hinaus erfreuen sich Kuscheltiere einer grosser Nachfrage, insbesondere die Roboterkatze, die miauend Aufmerksamkeit fordert und beim Streicheln behaglich schnurrt. Damit stiess er zwar auch schon auf Unverständnis. «Herr Neubauer, wollen Sie mit dieser Katze unsere dementen Personen veräppeln?», lautete die rhetorische Frage einer Heimleiterin. Nur Positives ist hingegen von Sandra Häfeli zu hören, Leiterin der Stiftung Loogarten in Esslingen ZH. Sie erzählt von einer demenzkranken Bewohnerin, die mit ihrer Katze ins Heim kam und nach deren Tod untröstlich war, bis sie die Roboterkatze erhielt und sich nun nicht mehr von dieser trennen mag. Eine andere Frau, so Häfeli, meinte: «Ich weiss, dass das eine Roboterkatze ist, aber sie ruft in mir Erinnerungen wach.» In jeder Abteilung hat nun im Loogarten eine Roboterkatze Eingang gefunden, neben echten Katzen, denen aber die Bedürfnisse der Betagten oft egal sind. 

Sein von Rückschlägen, aber auch einigen Höhepunkten geprägtes Leben sowie das sorgfältige Planen seines Angebots haben Neubauer beim Schritt in die Selbstständigkeit geholfen. Seine vielfältigen Lebenserfahrungen haben einen abwägenden, freundlichen Auftritt zur Folge. Mittels kontinuierlicher Physiotherapie und Therapieschwimmen versucht er seine Grundmobilität zu erhalten, wissend, dass sich seine Behinderung nicht kaschieren lässt. Die abweisenden Reaktionen, die er deswegen erfährt, erklärt er sich heute so: «Das ist für viele ein Selbstschutz, um sich abzugrenzen.» Damit das Verständnis für Menschen mit Behinderung wächst, ist er im Vorstand von Cerebral Zürich und dem Verein Transition 1525 tätig. Dieser Verein unterstützt chronisch kranke Jugendliche und solche mit Behinderung nach Erreichen der Volljährigkeit bei ihrem Wechsel in die Erwachsenenmedizin. 

Vorsichtig abwägend, aber auch neugierig und interessiert: Diese Offenheit lässt Fabian Neubauer jünger aussehen. Darauf angesprochen, sagt er schalkhaft: «Im Kopf bin ich noch 21 Jahre alt.» Und in diesem Moment stellt man sich vor, wie er mit den anderen Kindern unbeschwert am Waldrand von Egg herumtobt, spielt, Bäche staut und schlittelt. 



Foto: Christian Bernhart