Zugang

Es gibt viele Technologieprojekte und -Produkte, welche sich an ältere Menschen richten. Ob eine entstehende Technologie oder ein damit im Zusammenhang stehender Service aber später auch tatsächlich genutzt wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Im Folgenden wird der Blick speziell auf jene Faktoren gerichtet, welche im Umfeld der Endnutzer:innen angesiedelt sind. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von externen Faktoren oder Rahmenbedingungen. Der Zugang zu Technologie stellt ein wichtiger externer Faktor dar, den es an dieser Stelle genauer zu betrachten gilt.

Drei zentrale Fragen, die im Zusammenhang mit dem Zugang zu stellen gilt, sind:

  • Haben die potenziellen Endnutzer:innen überhaupt Kenntnis von den technologischen Möglichkeiten, die sie unterstützen können?
  • Sind die Technologien als marktfähige Produkte auf dem regionalen Markt verfügbar?
  • Und sind sie für die älteren Menschen erschwinglich?

In Bezug auf die Kenntnis über verfügbare Technologien ist darauf hinzuweisen, dass das soziale Umfeld älterer Menschen eine grosse Rolle spielen kann: Sind die Mitarbeitenden in den stationären und ambulanten Einrichtungen, aber auch die An- und Zugehörigen informiert über geeignete Technologien, können sie dieses Wissen an die ältere Person weitergeben. Seifert und Schelling (2015, S. 72f., S. 88f.) geben Anhaltspunkte für Massnahmen im Zusammenhang mit der Begleitung älterer Menschen bei der Techniknutzung. Sie betonten, dass das soziale Umfeld als Ressource herangezogen werden sollte, z.B. als Impulsgeber, Vermittler und Anwaltschaft.

Dies unterstreicht die Bedeutung von Beratungs- und Informationsangeboten sowohl für ältere Menschen als auch für ihre An- und Zugehörigen sowie für Mitarbeitende aus den Bereichen Gesundheit und Soziales: welche technologischen Möglichkeiten zur Unterstützung ältere Menschen gibt es und welches Potenzial haben sie? Eine Ist-Analyse zu bestehenden Beratungs- und Informationsangeboten zeigte allerdings auf, dass es in der Schweiz zwar zahlreiche Angebote gibt. Problematisch ist jedoch, dass diese gerade für ältere Menschen oft nur schwer zugänglich sind (z.B. Informationen sind nur über eine Website verfügbar). Man bedenke, dass die An- und Zugehörigen älterer Menschen das Pensionsalter bereits erreicht haben und entsprechend selbst schon zu einer älteren Techniknutzergeneration gehören können. Ausserdem scheint das Beratungsangebot für bestimmte Zielgruppen ganz zu fehlen, z.B. für ältere Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten.

Was die Frage nach dem Einfluss von externen Faktoren bei der Techniknutzung durch ältere Menschen betrifft, haben Gjestsen et al. (2017) in ihrer norwegischen Fallstudie grundlegende Wissenslücken festgestellt. Auch in der Schweiz besteht weiterer Klärungsbedarf, etwa hinsichtlich des Einflusses der Anschaffungs- und Betriebskosten von Technologie, des sozialen Umfeldes und weiterer Rahmenbedingungen auf die Zugänglichkeit zu Technologie. Deshalb sind Projekte und Initiativen zu begrüssen, die systematisch prüfen, welche externen Faktoren die Zugangschancen für ältere Menschen generell und mit alters- oder lebensbegleitenden Behinderungen oder Einschränkungen erhöhen.

Good Practice: Digital real

Das Projekt und seine Ziele

Online-Angebote und digitale Anwendungen werden auch für Senioren:innen immer bedeutender. Online-Einkäufe, E-Banking oder Videochatten mit Familie oder dem:der Arzt:Ärztin sind Beispiele für nützliche Hilfestellungen, besonders wenn die eigene Mobilität eingeschränkt ist. Viele dieser Hilfestellungen sind grundsätzlich durch nur wenige Klicks für alle Menschen verfügbar, die Zugang zu einem Computer oder Smartphone haben.

Die digitale Welt kann aber Ängste schüren und mit vielen Unsicherheiten verbunden sein. Dies hält ältere Menschen oft davon ab, sich selbst auf Erkundungstour in dieser für sie neuen Welt zu begeben. Ohne adäquate Unterstützung erfahren sie jedoch nur selten von den Vorteilen, die sie zu bieten hätte.

Das Projekt digital real setzt an diesem Punkt an. Es verfolgt das Ziel, älteren Menschen durch Information und den Abbau von Berührungsängsten Zugang zu digitalen Hilfsmitteln zu ermöglichen. digital real bring im Sinne einer «Roadshow» den digitalen Alltag an Orte, an denen sich ältere Menschen aufhalten, z.B. in Alters- oder Pfarreizentren. Mittels Referate, Workshops und interaktive Informationsstände informiert digital real einerseits über die Möglichkeiten sowie Risiken, welche die Digitalisierung mit sich bringt. Andererseits erhalten die Teilnehmenden direkte Informationen zu allenfalls nützlichen digitalen Tools, die ihnen demonstriert werden und die sie in Ruhe ausprobieren und diskutieren können. Die Inhalte einer digital-real-Veranstaltung werden jeweils so zusammengestellt, dass sie zum Veranstaltungsort und zum Kreis der Teilnehmenden passen. Je nach Bedürfnis werden digitale Tools in folgenden Themenkreisen vorgestellt: Gesundheit und Wohlbefinden, Alltag, sicheres Wohnen, Unterhaltung, soziale Medien und künstliche Intelligenz.

Herausforderung, Herangehensweise und Erfahrung in Bezug auf den Zugang

Viele digitale Hilfsmittel sind heute in Form von Webseiten und Apps umgesetzt. Das macht sie für alle Menschen auf einheitliche und in der Regel kostengünstige Weise verfügbar. Eine grosse Anzahl dieser Tools gehören für viele Menschen in der Schweiz zudem zum Alltag. Entsprechend ist das Wissen um sie weit verbreitet. Dennoch haben die Initianten:innen des Projekts digital real bei ihrer Arbeit festgestellt, dass vielen älteren Menschen der Zugang zu diesen Hilfsmitteln fehlt. Mark Bächler, Projektleiter, sieht dafür zwei Gründe: Einerseits bekommt er häufig die Rückmeldung, dass beispielsweise Angehörige, Angestellte in Läden und das Personal in Altersinstitutionen keine Zeit haben, ihnen den Zugang zur digitalen Welt auf eine für sie passende Art und Weise zu ermöglichen. Andererseits ist da oft aber auch eine persönliche Barriere, die Menschen überhaupt davon abhält, sich aktiv an ein für sie neues Thema heranzuwagen und z.B. ein Geschäft für Telekommunikationsbedarf aufzusuchen oder mit Fragen auf Bekannte zuzugehen. Dieses Phänomen kennt man beispielsweise auch in Bezug auf Hörgeräte: Menschen gehen nicht zur Abklärung und Beratung. Man weiss aber auch: Kommt die Beratung zu ihnen, gehen die meisten Menschen auf das Thema ein.

Bei dieser Erkenntnis setzt digital real an und bringt digitale Tools dahin, wo sich ältere Menschen aufhalten. Digital real zeigt die Chancen und Möglichkeiten dieser Tools auf, thematisiert aber auch Risiken offen. Aus diffusen Ängsten werden so benennbare Gefahren, denen man jedoch auch vorbeugen kann. Mark Bächler weiss, dass es immer Skeptiker:innen geben wird, die sich dem Thema ganz verschliessen und den Veranstaltungen von digital real fernbleiben werden. Er weist aber darauf hin, dass gerade Menschen in der Altersgruppe 80+, die teilweise in der Mobilität eingeschränkt sind, auch in sozialer Hinsicht vom Projekt profitieren können: Sie freuen sich auf eine anregende Unterhaltung zu einem oftmals neuen Thema, die ihnen an jenem Ort angeboten wird, an dem sie sich aufhalten. Auch deshalb gelingt es dem Projekt gut, selbst Menschen mit grösseren Berührungsängsten erste Zugänge zu digitalen Tools zu vermitteln. Ein Erfolgsfaktor ist, dass das Projekt nicht zur Werbeveranstaltung wird, sondern ein Dialog mit den Teilnehmenden entsteht. Ein anderer ist die Alltagsbezogenheit: In den Vorträgen, Workshops und an den Informationsständen wollte man zu Beginn die ganze Breite der Möglichkeiten aufzeigen, damit für jeden etwas Spannendes dabei ist. Gezeigt hat sich aber: Weniger ist mehr! Es muss darum gehen, handfeste «Aha-Erlebnisse» für konkrete Lebenssituationen der älteren Menschen zu schaffen. Nach der Erfahrung von digital real wünschen sie sich vor allem Zugang zu digitalen Tools, die den Alltag erleichtern und bereichern: Die Suche im Internet, Kommunikationsmittel, Fahrpläne des öffentlichen Verkehrs, Erledigen von Online-Finanzgeschäften und Einkäufen – oder auch einfach einmal einen alten Schweizerfilmen auf Youtube suchen und anschauen.

Gemäss Mark Bächler braucht es gar nicht viel, um die Zugänglichkeit dieser Tools auch für ältere Menschen zu erleichtern. Die meisten älteren Menschen sind sowohl kognitiv wie auch motorisch fähig, sie ohne Weiteres zu nutzen. Sie haben jedoch eine andere Technikbiografie als jüngere Nutzer:innen, und brauchen daher auf ihr Wissen angepasste Informationen sowie etwas mehr Übung und Zeit zum Erlernen des Umgangs mit den Tools. digital real ist deshalb nicht zu didaktisch aufgebaut, sondern setzt – mit sehr guten Erfahrungen – auf den Dialog und vor allem auf viel Zeit und Geduld. Und: an jeder Veranstaltung sind auch ältere Menschen anwesend, die bestimmte Tools bereits nutzen und von ihren Erfahrungen berichten und so motivierend und unterstützend wirken.

Wichtigste Lessons Learned

  • Der Zugang zur Technologie wird älteren Menschen insbesondere dann erleichtert, wenn die digitalen Tools zu ihnen kommen.
  • Um Zugang zu Technologie zu erhalten, benötigen ältere Menschen Informationen darüber, welche digitalen Tools es überhaupt gibt. Für sie interessant sind dabei vor allem Unterstützungshilfen für einen Alltag, der oft von eingeschränkter Mobilität geprägt ist.
  • Für den Zugang wichtig sind insbesondere auch Personen, die den älteren Menschen mit der Bereitschaft zum Dialog und Zeit zur Seite stehen.

Kontakt und weitere Informationen

Mark Bächer
Projektleiter «digital real»
mark.baecher@lscom.ch

Die Arbeit am Projekt wurde eingestellt. Mark Bächer steht Ihnen jedoch für Fragen weiterhin zur Verfügung.

Good Practice: Doro

Das Projekt und seine Ziele

Das schwerpunktmässig in Europa tätige schwedische Unternehmen Doro hat sich der technologischen Unterstützung älterer Menschen verschrieben und ist überzeugt, dass die ganze Gesellschaft davon profitiert, wenn ältere Menschen – auch dank Technologie – aktiv und möglichst selbständig leben können. Das Unternehmen entwickelt vor allem Produkte, die Menschen darin unterstützen, in ihrem eigenen Zuhause in Würde älter zu werden und sich trotz gesundheitlicher Einschränkungen zuhause und unterwegs sicher zu fühlen. Die Produktepalette von Doro ist breit und umfasst beispielsweise Notruf- und Alarmsysteme, digitale Produkte zur Überwachung von Gesundheitsfaktoren bei chronischen Alterskrankheiten, Sensoren (z.B. für Stürze oder Bewegungen) und Seniorenhandys. Für letztere ist das Unternehmen besonders bekannt und weltweiter Marktführer mit über 3 Millionen verkauften Mobiltelefonen pro Jahr.  

Herausforderung, Herangehensweise und Erfahrung in Bezug auf den Zugang

Doro ist der Marktführer für Mobiltelefone, die spezifisch auf die Bedürfnisse von älteren Menschen abgestimmt sind. So sind beispielsweise die Sound- und Sprachqualitäten auf den Frequenzrahmen älterer Ohren und die Anzeige auf ältere Augen angepasst, die Handys sind kompatibel mit Hörgeraten, verfügen über einen Teamviewer-Zugang für Angehörige oder haben ein integriertes Notrufsystem. Dennoch sind rund 60% der Doro-Nutzenden (ältere) Menschen ohne jegliche Einschränkungen. Darin spiegelt sich die Strategie von Doro wider: Man will so früh wie möglich Menschen mit den Produkten vertraut machen, damit sie dann, wenn Einschränkungen einsetzen, bereits über einen Zugang zu angepassten Funktionen, Dienstleistungen und abrundenden Produkten verfügen. Denn die Marktforschung von Doro zeigt: Menschen fühlen sich kaum je genügend alt, um sich über Produkte zu informieren, die explizit für ältere Menschen entwickelt und entsprechend beworben werden. Solche Werbung wird in der Regel nur von An- oder Zugehörigen wahrgenommen, die jedoch auch einen wichtigen Zugang zu Technik für ältere Menschen darstellen können. Doro weiss: An- und Zugehörige holen sich ihre Informationen über Technik und kaufen Geräte an den üblichen Orten wie dem Internet, auf Userportalen oder in den Läden der grossen Technik-Vertriebspartner. Deshalb wirbt Doro an genau diesen Orten mit den seniorengerechten Funktionen ihrer Produkte.

Dort aber, wo sich ältere Menschen selbst aufhalten, treten die seniorengerechten Funktionen im Marketing in den Hintergrund. Um älter werdende Menschen von den Doro-Geräten zu überzeugen und ihnen so zu altersgerechten Funktionen Zugang zu verschaffen, die sie allenfalls plötzlich benötigen, müssen die Produkte mit denjenigen Eigenschaften glänzen, welche diesen Menschen aktuell wichtig sind. Deshalb betont Doro in Frankreich die Designelemente ihrer Geräte, die den älter werdenden Menschen besonders gefallen. Im deutschsprachigen Raum wird hingegen die Lokalisierungs- und Notruffunktion betont, die fitten Rentnern:innen, die oft in den Bergen anzutreffen sind, Sicherheit vermittelt. Ziel ist, den älter werdenden Menschen ein Produkt anzubieten, das ihren aktuellen Bedürfnissen entspricht, wenn sie sich (noch) nicht «alt» oder eingeschränkt fühlen und ihnen damit gleichzeitig Technik in die Hand zu geben, die im Falle solcher Einschränkungen hilfreich ist. Weil die Senioren:innen die Geräte dann bereits kennen, akzeptieren sie auch die unterstützenden Technologien schneller.

Neben der Ansprache von Senioren:innen und von An- und Zugehörigen, beschreitet Doro einen dritten Weg, um den Zugang zur Technik zu vereinfachen: Doro arbeitet aktiv mit Partnern:innen zusammen, die dann mit älteren Menschen in Kontakt treten, wenn deren Unterstützungsbedarf allmählich zunimmt. Das können etwas Notfall- oder Spitexorganisationen sein. Kennen diese Partner:innen die Produkte und deren altersgerechte Funktionen, können sie die älteren Menschen mit Unterstützungsbedarf beraten und ihnen so Zugang zu hilfreicher Technik vermitteln.

Wichtigste Lessons Learned

  • Menschen fühlen sich kaum je alt genug, um sich aktiv über digitale Unterstützungsangebote für ältere Menschen zu informieren. Bei der Ansprache der Zielgruppe sollten deshalb nicht die Altersgerechtigkeit, sondern die von ihr selbst wahrgenommenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Marktforschung kann Technikanbietern dabei helfen, diese Bedürfnisse zu eruieren.
  • Das Umfeld älterer Menschen ist sehr wichtig für deren Zugang zu digitalen Produkten, die spezifisch auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Angehörige anzusprechen und mit Partnern:innen zusammenzuarbeiten, die im Kontakt mit älteren Menschen sind, ist deshalb essenziell.

Kontakt und weitere Informationen

Dietmar Gottschalk
Managing Director Doro Schweiz, Deutschland und Österreich
Dietmar.gottschalk@doro.com

www.doro.com

Literaturangaben